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Würzburger Anästhesistin ist „Senkrechtstarterin des Jahres“

THIEME MANAGEMENT AWARD 2024 FÜR NORA SCHORSCHER, LEITERIN DES PROJEKTS „TELE-INTENSIVMEDIZIN IN BAYERN“

Dr. Nora Schorscher von der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) wurde am 20. Februar im Wasserwerk in Berlin mit dem Thieme Management Award 2024" ausgezeichnet. Neben Dr. Susanne Ozegowski, die als „Managerin des Jahres“ geehrt wurde, setzte sich Nora Schorscher als „Senkrechtstarterin“ durch. Die Anästhesistin hat mit der Entwicklung eines mobilen Teleintensivwagens den Aufbau telemedizinischer Netzwerkstrukturen in Bayern vorangetrieben. Der Wagen vernetzt Fachärztinnen und Fachärzte der Universitätskliniken mit medizinischem Personal in Partnerkrankenhäusern und hilft, die Zusammenarbeit zwischen den Kliniken auszubauen, Spezialwissen schneller abzurufen und die Patientenversorgung auch im ländlichen Raum zu verbessern.

 

Susanne Ozegowski links und Nora Schorscher rechts halten die gläsernen Preise in den Händen und lächeln in die Kamera.
Thieme Management Award 2024: Managerin des Jahres wurde Dr. Susanne Ozegowski (links), Leiterin der Abteilung „Digitalisierung und Innovation“ im Bundesgesundheitsministerium. Dr. Nora Schorscher, Leiterin des Pilotprojekts „Tele-Intensivmedizin in Bayern“, erhielt den Newcomer Award „Senkrechtstarterin des Jahres“. © Leo Seidel/cdgw
Nora Schorscher hält den gläsernen Preis in den Händen, im Hintergrund die Atmosphäre des Wasserwerks in Berlin
Die Anästhesistin Dr. Nora Schorscher leitet am Uniklinikum Würzburg seit 2021 das Pilotprojekt „Tele-Intensivmedizin in Bayern“. Am 20. Februar 2025 kürte sie die Thieme Gruppe im Wasserwerk in Berlin zur Senkrechtstarterin 2024. © Leo Seidel/cdgw

Würzburg. Laut Wikipedia sind Senkrechtstarter Flugzeuge, Drohnen oder Raketen, die keine Startbahn, also keinen Anlauf benötigen, um abzuheben. Die Thieme Gruppe würdigt im Rahmen ihres Management Awards junge Führungskräfte, die eine außergewöhnliche Karriere vorweisen, als „Senkrechtstarter*in“. In diesem Jahr darf sich Dr. Nora Schorscher, Anästhesistin am Uniklinikum Würzburg (UKW), über die Auszeichnung freuen. In der Tat hat die 37-Jährige als Leiterin des Pilotprojekts „Tele-Intensivmedizin in Bayern“ einen echten Senkrechtstart hingelegt. Anders ausgedrückt: Sie hat nach jahrelangem Leerlauf der Tele-Intensivmedizin einen Raketenstart verpasst.

Barrieren abbauen und Expertise aus Maximalversorgung flächenweit zur Verfügung stellen 

Das Bayerische Wissenschaftsministerium hatte bereits im Jahr 2015 den sechs bayerischen Universitätskliniken Fördergelder für ein teleintensivmedizinisches Pilotprojekt bewilligt, um die Sterblichkeit und Aufenthaltsdauer von Patientinnen und Patienten auf Intensivstationen und die Behandlungskosten zu reduzieren. Ziel war die Schaffung teleintensivmedizinischer Netzwerkstrukturen, sodass periphere Krankenhäuser von der intensivmedizinischen Expertise der Kolleginnen und Kollegen in den Universitätskliniken profitieren und in virtuellen Visiten gemeinsam über die weitere Behandlung entschieden werden kann. Doch keines der damals vorhandenen Telemedizin-Systeme erfüllte die Anforderungen, weshalb das Projekt nicht realisierbar schien. Bis Prof. Dr. Patrick Meybohm, Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie des UKW, im Jahr 2021 Nora Schorscher ins Boot holte. 

Mobiler Teleintensivwagen mit zahlreichen Features für Partnerkrankenhäuser 

Die gebürtige Fränkin, die erst vier Jahre zuvor ans UKW gekommen war, fühlte sich überrumpelt, bezweifelte, dass sie die Richtige für das Projekt sei. Doch mit ihrem Mut, ihrer Tatkraft und Empathie war sie letztendlich goldrichtig. Innerhalb eines Jahres hatte sie mit ihrem Team aus Fachleuten aus der Intensivmedizin und dem Servicezentrum Medizin-Informatik (SMI) den Prototyp eines mobilen Wagens für die intensivmedizinische Tele-Visite konzipiert. Namentlich erwähnen möchte Nora Schorscher hier vor allem ihre Kollegen Maximilian Göpfert, Daniel Röder, Jürgen Brugger, Axel Steinke sowie Patrick Meybohm und Helmut Greger als Leiter des SMI.

Und so funktioniert er: Der mobile Teleintensivwagen, ausgestattet mit mehreren hochauflösenden Kameras, Dokumentenscannern und vielen weiteren Features, steht im jeweiligen Partnerkrankenhaus. Die Ärztinnen und Ärzte des Universitätsklinikums schalten sich per Zoom in die Visite ein und erhalten einen umfassenden Eindruck vom Zustand der Patientin oder des Patienten, so dass sie mit ihrem Spezialwissen das Partnerkrankenhaus bei der weiteren Versorgung beraten können. Mit einer Augmented-Reality-Brille können die zugeschalteten Klinikerinnen und Kliniker die Patientinnen und Patienten mit den Augen der anwesenden Kolleginnen und Kollegen im lokalen Krankenhaus sehen, sogar die Kamera auf dem Wagen steuern und mit 30-fachem Zoom in bestimmte Bereiche fahren. Gleichzeitig werden die hohen Anforderungen des deutschen Datenschutzes erfüllt, da die Daten im Partnerkrankenhaus verbleiben.

Nora Schorscher hatte zwischen ihrer täglichen Arbeit im OP, auf der Intensivstation, im Notarztwagen und im Intensivtransportwagen – eben der Vielfalt, die sie in der Anästhesie so liebt – einige Herausforderungen zu meistern, bis der mobile Wagen alle Anforderungen und Voraussetzungen für einen reibungslosen Einsatz erfüllte. „Zunächst galt es, die Frage zu beantworten: Was brauchen wir Ärztinnen und Ärzte aus den Unikliniken, um die Patientinnen und Patienten, die im Partnerkrankenhaus liegen, medizinisch zu beurteilen? Wie können wir das technisch umsetzen, auch im Hinblick auf Datenschutz und medizinische Sicherheit? Und dann galt es Barrieren zu überwinden und die Kolleginnen und Kollegen in den umliegenden Krankenhäusern zu überzeugen“, erzählt Nora Schorscher.

Von der internationalen Diplomatie zurück zum Patienten 

Hier kommt der Medizinerin ihr diplomatisches Geschick zugute. Bevor sie 2017 ans Uniklinikum kam, studierte Nora Schorscher zwei Jahre lang an der Diplomatischen Akademie in Wien. „Ich wollte zwischenzeitlich zur Weltgesundheitsorganisation WHO oder in die Gesundheitspolitik gehen. Aber die Arbeit am Patienten und vor allem die Abwechslung in der Anästhesie mit den entsprechenden Adrenalinschüben fehlten mir zu sehr.“ Ärztin zu werden war ihr Traum, seit sie mit zwölf Jahren ein Buch über das Ebola-Virus gelesen hatte. Ihr Medizinstudium absolvierte sie am Imperial College in London, wo sie auch ihre Facharztausbildung begann und einen Bachelor in Health Management ablegte. Schon ihr Abitur am United World College (UWC) in Norwegen war international und auf interkulturellen Austausch ausgelegt. „An unserer Schule gab es 89 Nationalitäten – vom Straßenkind aus Thailand bis zur Prinzessin aus Uganda. Ausgewählt wurde nicht nach finanziellem Hintergrund, sondern nach Potenzial und Engagement“, so Schorscher. An sozialem Engagement mangelte es der jungen Frau aus dem 120-Seelen-Ort in den Haßbergen nicht. Als Jugendliche arbeitete sie ehrenamtlich beim Roten Kreuz, war Schulsanitäterin, gründete eine Nachhilfegruppe und baute ein Seelsorge-System für Mobbing-Opfer auf. Im vergangenen Jahr war sie sechs Wochen für „Ärzte ohne Grenzen“ im Südsudan. 

Verbesserung der Patientenversorgung und Kommunikation zwischen Kliniken

Mit ihrer sympathischen Professionalität - oder wie Nora Schorscher sagt: mit höflicher, freundlichen Bestimmtheit - konnte sie nicht nur alle bayerischen Unikliniken vom Projekt überzeugen, sondern auch zahlreiche periphere Krankenhäuser ans Netzwerk anbinden, trotz anfänglicher Skepsis. Inzwischen hat jede bayerische Uniklinik drei bis fünf Partnerkrankenhäuser mit einem weiterentwickelten, patentierten Teleintensivwagen ausgestattet, das UKW sogar zehn. Ganz nebenbei hat Nora Schorscher nicht nur einzelnen Patientinnen und Patienten geholfen, sondern auch zur Verbesserung des Gesundheitssystem beigetragen. Es gibt inzwischen bereits einige Anfragen aus anderen Bundesländern. 

„Die Praxis hat gezeigt, dass wir mit dem telemedizinischen Vier-Augen-Prinzip und dem zusätzlichen Blickwinkel von Expertinnen und Experten aus der Uniklinik, zahlreiche unnötige Verlegungen von Intensivpatientinnen und -patienten verhindern konnten“, sagt Nora Schorscher. Das mache das Projekt so brillant: „Mit wenig Aufwand und kollegialer Zusammenarbeit die Patientenversorgung verbessern! Barrieren wurden abgebaut, sowohl in der Anwendung als auch bei Finanzierungsfragen. Aufgrund der steigenden Nachfrage wurde die Produktion des Teleintensivwagens inzwischen ausgelagert. Ungeklärt sind derzeit noch die Abrechnungskosten für die Visite. Nora Schorscher bleibt am Ball. Das Motto der Senkrechtstarterin: „Es geht immer irgendwo eine Tür auf!“


Über den Thieme Management Award
Bereits seit 2004 wird die Auszeichnung zum „Manager*in des Jahres“ vergeben. Thieme – ein Verbund aus Wissenschaftsverlagen, Medien- und Dienstleistungsunternehmen –würdigt damit Persönlichkeiten, die auf ihrem Gebiet Ungewöhnliches leisten und sich durch besonderes Wirken auszeichnen. Für junge Führungskräfte, die eine außergewöhnliche Karriere vorweisen können, wird seit 2017 der Preis „Senkrechtstarter*in“ vergeben. Beide Kategorien sind unter dem Namen „Thieme Management Award“ zusammengefasst. Die achtköpfige Jury setzt sich aus den Herausgebern der Thieme Fachzeitschrift „kma“, Vertretern der Thieme Gruppe und einem Vertreter des „cdgw – Club der Gesundheitswirtschaft“ zusammen. Unter www.kma-online.de/lp/awards/ werden die Jury-Mitglieder im Einzelnen vorgestellt. Interessierte finden hier in Kürze außerdem Berichte und Bilder zur Gala. Die Porträts der Preisträger*innen werden in der kommenden Ausgabe der „kma“ (1/2025) veröffentlicht, die am 20. Februar 2025 erscheint.

Link zur Pressemeldung von Thieme, und Link zum ausführlichen Porträt der Preisträgerin Nora Schorscher.

Text: KL / Wissenschaftskommunikation
 

Susanne Ozegowski links und Nora Schorscher rechts halten die gläsernen Preise in den Händen und lächeln in die Kamera.
Thieme Management Award 2024: Managerin des Jahres wurde Dr. Susanne Ozegowski (links), Leiterin der Abteilung „Digitalisierung und Innovation“ im Bundesgesundheitsministerium. Dr. Nora Schorscher, Leiterin des Pilotprojekts „Tele-Intensivmedizin in Bayern“, erhielt den Newcomer Award „Senkrechtstarterin des Jahres“. © Leo Seidel/cdgw
Nora Schorscher hält den gläsernen Preis in den Händen, im Hintergrund die Atmosphäre des Wasserwerks in Berlin
Die Anästhesistin Dr. Nora Schorscher leitet am Uniklinikum Würzburg seit 2021 das Pilotprojekt „Tele-Intensivmedizin in Bayern“. Am 20. Februar 2025 kürte sie die Thieme Gruppe im Wasserwerk in Berlin zur Senkrechtstarterin 2024. © Leo Seidel/cdgw

Für den guten Zweck: Adventsfreude in Wiesenfeld - ein Dorf erstrahlte im Lichterglanz der Adventsfenster

Förderverein Kinderchirurgie e.V. sowie die Station Regenbogen der Uniklinik Würzburg und Kinderhospiz Sternenzelt erhalten Spende

Gruppenbild Prof. Meyer, Frau Schäfer, Herr Roth
Von links: Prof. Dr. Thomas Meyer, Leiter der Kinderchirurgie am UKW, Sabrina Schäfer, ehrenamtliche Organisatorin der Aktion und Wolfgang Roth von der Elterninitiative für leukämie- und tumorkranke Kinder e.V. (Bild Nadine Kempa)

Wiesenfeld – In der Adventszeit verwandelte die Dorfgemeinschaft Wiesenfeld, bereits zum vierten Mal, den Ort in einen lebendigen Adventskalender. Jeden Abend öffnete sich ein neues, festlich dekoriertes Adventsfenster, hinter dem sich nicht nur kunstvolle Dekorationen, sondern auch der Geist der Gemeinschaft und Nächstenliebe verbarg. 
Die Idee, den Adventskalender in Form von geschmückten Fenstern zu gestalten, wurde von zahlreichen engagierten Dorfbewohnern sowie Ortsvereinen und Institutionen umgesetzt. Die Fenster wurden liebevoll mit Lichtern, Weihnachtsszenen und winterlichen Motiven gestaltet, die abends bei kleinen Zusammenkünften bewundert werden konnten.
Dabei ging es nicht nur um den optischen Genuss: An vielen Abenden organisierten die Gastgeber des Fensters kleine Umtrünke mit heißen Getränken und Gebäck, bei denen man ins Gespräch kam und die vorweihnachtliche Atmosphäre gemeinsam genießen konnte. Ein Highlight war der Besuch des Nikolaus, der in der Bücherei kleine Überraschungen an die Kinder verteilte und für leuchtende Augen sorgte.
„Es ist einfach schön zu sehen, wie unser kleines Dorf in der Adventszeit zusammenkommt und mit solchen Aktionen etwas Gutes bewirken kann“, freut sich Sabrina Schäfer, ehrenamtliche Organisatorin der Aktion. „Die liebevoll gestalteten Fenster und die gemeinsame Zeit haben den Weihnachtsgedanken in Wiesenfeld lebendig gemacht.“ 
Das Engagement der Wiesenfelder zahlte sich in doppelter Hinsicht aus. Dank zahlreicher Spenden kam ein beeindruckender Betrag von 1.200 Euro zusammen, der nun in gleichen Teilen an das Kinderhospiz Sternenzelt, Förderverein Kinderchirurgie e.V. sowie die Station Regenbogen der Uniklinik Würzburg gespendet wird. Diese Einrichtungen leisten wertvolle Arbeit für schwerkranke Kinder und deren Familien, weshalb die Wahl der Spendenempfänger die Herzen aller Beteiligten berührte. 
Die Spendenübergabe hat bereits stattgefunden, und alle Beteiligten sind stolz darauf, einen kleinen Beitrag zu einem großen Zweck geleistet zu haben.
Ein herzliches Dankeschön gilt allen, die diese besondere Adventsaktion ermöglicht haben – ob mit Kreativität, Spenden oder tatkräftiger Unterstützung. In Wiesenfeld hat sich gezeigt: Gemeinschaft ist das schönste Geschenk.

Pressemeldung Sabrina Schäfer

Gruppenbild Prof. Meyer, Frau Schäfer, Herr Roth
Von links: Prof. Dr. Thomas Meyer, Leiter der Kinderchirurgie am UKW, Sabrina Schäfer, ehrenamtliche Organisatorin der Aktion und Wolfgang Roth von der Elterninitiative für leukämie- und tumorkranke Kinder e.V. (Bild Nadine Kempa)

Altersmedizin: UKW und HESCURO kooperieren

Die enge Zusammenarbeit soll einen möglichst nahtlosen Übergang von der akutstationären Behandlung am UKW zur Rehabilitation in den HESCURO Kliniken in Bad Bocklet, Bad Kissingen oder Bad Brückenau ermöglichen.

Das UKW und die HESCURO Unternehmensgruppe haben am 20. Februar eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet, um die Versorgungsstrukturen in der Altersmedizin weiter auszubauen.  Foto: UKW / Stefan Dreising
Das UKW und die HESCURO Unternehmensgruppe haben am 20. Februar eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet, um die Versorgungsstrukturen in der Altersmedizin weiter auszubauen. V.l.: Dr. Michael Strohm, Zentrum für Altersmedizin (UKW), Dr. Ulf Dennler (UKW), Alexander Zugsbradl, Vorstand der HESCURO Unternehmensgruppe, PD Dr. Tim J. von Oertzen, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKW und Philip Rieger, Kaufmännischer Direktor des UKW. Foto: UKW / Stefan Dreising

Würzburg. Das Universitätsklinikum Würzburg (UKW) und die HESCURO Unternehmensgruppe haben eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet, um die Versorgungsstrukturen in der Altersmedizin (Geriatrie) weiter auszubauen. Die enge Zusammenarbeit soll einen möglichst nahtlosen Übergang von der akutstationären Behandlung am UKW zur Rehabilitation in den HESCURO Kliniken in Bad Bocklet, Bad Kissingen oder Bad Brückenau ermöglichen.

„Damit können wir den Ausbau der Altersmedizin am UKW und in der Region weiter vorantreiben und eine zukunftsweisende Struktur für unsere geriatrischen Patientinnen und Patienten anbieten. Das ist ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der Lebensqualität im Alter nach einem Klinikaufenthalt“, erklärte PD Dr. Tim J. von Oertzen, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKW bei der heutigen (20.02.2025) Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung in Würzburg.

Alexander Zugsbradl, Vorstand der HESCURO Unternehmensgruppe, betonte: „Durch die Kooperation schaffen wir klare Strukturen und feste Ansprechpartner zwischen den Kliniken. Davon werden die geriatrischen Patientinnen und Patienten bei der Suche nach einem passenden Angebot hier in der Region dauerhaft profitieren.“

Das UKW hatte im Januar 2025 die Versorgung im neuen „Zentrum für Altersmedizin“ an der Kantstraße in Würzburg gestartet. Der neue Standort ist eine „Fachabteilung für Akutgeriatrie und geriatrische Frührehabilitation“ des UKW. Aktuell ist dort eine Station mit Platz für 30 Patienten in Betrieb. In den kommenden Monaten werden weitere Stationsbereiche in dem Gebäude umfassend modernisiert. In den HESCURO Kliniken in Bad Bocklet, Bad Kissingen und Bad Brückenau wird Geriatrie-Patienten nach der stationären Akutversorgung eine geriatrische Rehabilitation ermöglicht. Ärzte, Therapeuten und Pflegekräfte kümmern sich darum, dass sie ihre Selbstständigkeit wiedererlangen bzw. bewahren können. Mit der Kooperationsvereinbarung werden diese Strukturen jetzt enger verknüpft, um abgestimmt die frühzeitige Planung und Organisation der Überleitung aus der UKW-Altersmedizin in die Rehaklinik zu organisieren. Die Entscheidung, wo die Patienten ihre Rehamaßnahme antreten möchten, verbleibt dabei natürlich bei den Patienten.

„Diese sektorenübergreifende Zusammenarbeit hilft dabei, wichtige Versorgungsangebote für geriatrische Patientinnen und Patienten in Unterfranken besser zu verzahnen. Gerade angesichts der demographischen Entwicklung ist hier in den kommenden Jahren mit einem starken Wachstum des Bedarfs zu rechnen. Genau hier setzt diese Kooperation an“, so Philip Rieger, Kaufmännischer Direktor des UKW.

Informationen zu den Angeboten des Zentrums für Altersmedizin am UKW: hier.

Informationen zu den Rehakliniken der HESCURO: hier.

Das UKW und die HESCURO Unternehmensgruppe haben am 20. Februar eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet, um die Versorgungsstrukturen in der Altersmedizin weiter auszubauen.  Foto: UKW / Stefan Dreising
Das UKW und die HESCURO Unternehmensgruppe haben am 20. Februar eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet, um die Versorgungsstrukturen in der Altersmedizin weiter auszubauen. V.l.: Dr. Michael Strohm, Zentrum für Altersmedizin (UKW), Dr. Ulf Dennler (UKW), Alexander Zugsbradl, Vorstand der HESCURO Unternehmensgruppe, PD Dr. Tim J. von Oertzen, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKW und Philip Rieger, Kaufmännischer Direktor des UKW. Foto: UKW / Stefan Dreising

MARBLE analysiert Hirnaktivitäten

Verwenden zwei Gehirne bei der Lösung ähnlicher Aufgaben gleiche oder unterschiedliche Denkstrategien? Das computergestützte Werkzeug MARBLE liefert die Antwort, indem es gemeinsame Strukturen im Denken erkennen kann ohne die einzigartige Sprache des einzelnen Gehirns zu ignorieren. Dazu zerlegt MARBLE die Signale der Gehirnzellen in charakteristische Aktivitätsmuster und analysiert ihre Bewegung in Raum und Zeit. Die technische Innovation, die vor allem Menschen mit motorischen Beeinträchtigen eine bessere Kontrolle über Interventionen oder Prothesen ermöglichen könnte, präsentieren die Entwickler, darunter Robert Peach vom Uniklinikum Würzburg, im renommierten Journal Nature Methods.

Porträt von Robert Peach in der Bibliothek
Robert Peach, Physiker und Computational Neuroscientist aus der Neurologischen Klinik, entwickelte mit ehemaligen Kollegen aus London und Lausanne MARBLE – ein computergestütztes Werkzeug, das Signale der Gehirnzellen in charakteristische Aktivitätsmuster zerlegt und ihre Bewegung in Raum und Zeit analysiert. © Kirstin Linkamp / UKW
Graphical Abstract aus 5 Bildern, die in Nature Methods erschienen sind.
Darstellung und Entschlüsselung der neuronalen Aktivität im Gehirn eines Affen während er seinen Arm bewegt: a) Bewegung der Hand in sieben verschiedene Richtungen; b) Aktivitätsmuster einzelner Nervenzellen im prämotorischen Kortex für drei dieser Bewegungen, der schattierte Bereich zeigt die analysierten Spuren nach dem GO-Hinweis für den Affen; c) Darstellung der neuronalen Daten als ein Vektorfeld, das die Veränderungen der Feuerraten über die Zeit zeigt; d) vereinfachte Darstellung der neuronalen Daten in einer einzigen Sitzung; MARBLE zeigt eine latente, kreisförmige Anordnung der Daten in zirkulärer und zeitlicher Ordnung, die die räumlichen Bewegungen widerspiegelt; e) präzise lineare Dekodierung der Handbewegungen aus den latenten Repräsentationen. © Gosztolai & Peach et al. et al. MARBLE: interpretable representations of neural population dynamics using geometric deep learning. Nat Methods (2025). https://doi.org/10.1038/s41592-024-02582-2

Würzburg. Stellen Sie sich eine zerknitterte Zeitung vor. Im dreidimensionalen Raum nimmt sie viel mehr Platz ein, aber die gleichen Informationen und Nachrichten befinden sich immer noch auf einer niederdimensionalen Struktur, der Zeitung selbst. Um besser lesen zu können, muss die flache Form der Zeitung wiederhergestellt werden. Ähnliches macht MARBLE mit den neuronalen Aktivitätsmustern im Gehirn. Die KI-Methode reduziert diese komplexen, hochdimensionalen Datensätze auf einfache Strukturen, so genannte Mannigfaltigkeiten. MARBLE steht für MAnifold Representational Basic Learning. 

Robert Peach, Physiker und Computational Neuroscientist in der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW), und Adam Gosztolai, Mathematiker an der Medizinischen Universität Wien, entwickelten MARBLE gemeinsam mit ehemaligen Kollegen und Vorgesetzten vom Imperial College in London und der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) in der Schweiz. Ihre technische Innovation, die das alltägliche Leben auf vielfältige Weise verbessern könnte, stellen Gosztolai und Peach als Erstautoren in der renommierten Fachzeitschrift Nature Methods vor. 

MARBLE erkennt und interpretiert neuronale Hirnaktivitäten 

Hinter der Entwicklung des computergestützten Werkzeugs MARBLE steht eine zentrale Frage: Verwenden zwei Gehirne bei der Lösung ähnlicher Aufgaben gleiche oder unterschiedliche Denkstrategien? Statt alle Neuronen einzeln zu untersuchen, betrachtet MARBLE nur Ausschnitte der Aktivität und vergleicht sie zwischen verschiedenen Spezies und Aufgaben. Dazu zerlegt MARBLE die neuronalen Signale in charakteristische Aktivitätsmuster, die Robert Peach „Puzzleteile“ nennt. Um mit den geschwungenen Strukturen umzugehen, die bei komplexen, nichtlinearen Hirnprozessen häufig auftreten, verwenden die Wissenschaftler ein spezialisiertes geometrisches Deep-Learning-Netzwerk, das die Puzzleteile in ihrer Dynamik, also ihrer Bewegung in Raum und Zeit, erkennt und in eine verständliche Form bringt. 

Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen Individuen finden, ohne sie in ein starres Schema zu pressen

Die Forscher testeten MARBLE an künstlichen neuronalen Netzen, simulierten Systemen und echten Hirndaten von Primaten und Nagetieren. Dabei fanden sie wiederkehrende Muster, die mit Denkprozessen wie Entscheidungsfindung oder Anpassung an neue Situationen zusammenhängen. „Das heißt, wenn verschiedene Tiere die gleiche Strategie anwenden, teilen sie sich diese Puzzleteile, betten sie aber in ihre eigene, individuell gekrümmte Struktur ein“, erklärt Robert Peach. Und das sei der entscheidende Vorteil gegenüber bisherigen Methoden. MARBLE kann eine gemeinsame Struktur im Denken erkennen, ohne die einzigartige „Sprache“ jedes Gehirns zu ignorieren. 

Während herkömmliche Methoden oft nur statische Muster betrachten oder Daten über viele Experimente hinweg mitteln, erkennt MARBLE zeitliche Veränderungen in den Signalen und kann so feine Unterschiede zwischen den Denkstrategien erkennen. Peach: „Unser Ansatz arbeitet mit nur wenigen Vorgaben von außen und ohne feste Verhaltensregeln, so dass die Analyse objektiver bleibt.“

Präzisere Steuerung von Prothesen und anderen Hilfsmitteln

Vor allem Menschen mit motorischen Einschränkungen könnten von dieser technischen Innovation profitieren. Denn wenn man besser versteht, wie das Gehirn im Laufe der Zeit arbeitet, lassen sich fortschrittlichere Gehirn-Computer-Schnittstellen entwickeln, die eine präzisere Steuerung von Prothesen und anderen Hilfsmitteln ermöglichen. Dieses Ziel verfolgt unter anderem der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte transregionale Sonderforschungsbereich (SFB) TRR 295 ReTune, in dem sich das UKW gemeinsam mit der Charité - Universitätsmedizin Berlin mit spezifischen Aspekten von Störungen motorischer Netzwerke beschäftigt. Daher wurde auch die Forschung von Robert Peach im Rahmen von ReTune gefördert. Prof. Dr. Jens Volkmann, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie am UKW, ist stellvertretender Sprecher des TRR, der im vergangenen Sommer in die zweite Förderphase ging. 

Fortschritte in Gesundheitsversorgung, Barrierefreiheit und Mensch-Computer-Interaktion

Darüber hinaus hilft das Forschungsprojekt, besser zu verstehen, wie das gesunde Gehirn Aufmerksamkeit steuert und Neues lernt. Diese Erkenntnisse könnten neue Ansätze für die kognitive Leistungssteigerung oder die Rehabilitation nach Schlaganfällen inspirieren. Selbst alltägliche Technologien – wie digitale Assistenten oder tragbare Geräte – könnten von Algorithmen profitieren, die sich daran orientieren, wie das Gehirn komplexe Aufgaben in Echtzeit bewältigt. Robert Peach fasst zusammen: „Wenn wir lernen, die verborgenen Muster hinter neuronalen Prozessen zu entschlüsseln, können wir Werkzeuge entwickeln, die natürlicher mit unserem Geist und Körper interagieren – mit möglichen Fortschritten in Gesundheitsversorgung, Barrierefreiheit und der Mensch-Computer-Interaktion.“

Im nächsten Schritt will das Team MARBLE auf komplexere Datensätze und verschiedene Spezies anwenden und eng mit klinischen Partnern zusammenarbeiten, um das Potenzial für die Behandlung von Bewegungsstörungen zu erforschen. Außerdem sollen die zugrundeliegenden mathematischen Methoden weiterentwickelt und verfeinert werden, um genauere Einblicke in die dynamischen Prozesse des Gehirns zu gewinnen.

Das Forschungsprojekt wurde gefördert von der DFG im Rahmen von ReTune sowie vom Engineering and Physical Sciences Research Council (EPSRC), dem Human Frontiers Science Programme und dem schweizerischen Blue Brain Project.

Text: KL / Wissenschaftskommunikation

Publikation:
Gosztolai, A., Peach, R.L., Arnaudon, A. et al. MARBLE: interpretable representations of neural population dynamics using geometric deep learning. Nat Methods (2025). https://doi.org/10.1038/s41592-024-02582-2

Research Briefing: www.nature.com/articles/s41592-024-02581-3
 

Porträt von Robert Peach in der Bibliothek
Robert Peach, Physiker und Computational Neuroscientist aus der Neurologischen Klinik, entwickelte mit ehemaligen Kollegen aus London und Lausanne MARBLE – ein computergestütztes Werkzeug, das Signale der Gehirnzellen in charakteristische Aktivitätsmuster zerlegt und ihre Bewegung in Raum und Zeit analysiert. © Kirstin Linkamp / UKW
Graphical Abstract aus 5 Bildern, die in Nature Methods erschienen sind.
Darstellung und Entschlüsselung der neuronalen Aktivität im Gehirn eines Affen während er seinen Arm bewegt: a) Bewegung der Hand in sieben verschiedene Richtungen; b) Aktivitätsmuster einzelner Nervenzellen im prämotorischen Kortex für drei dieser Bewegungen, der schattierte Bereich zeigt die analysierten Spuren nach dem GO-Hinweis für den Affen; c) Darstellung der neuronalen Daten als ein Vektorfeld, das die Veränderungen der Feuerraten über die Zeit zeigt; d) vereinfachte Darstellung der neuronalen Daten in einer einzigen Sitzung; MARBLE zeigt eine latente, kreisförmige Anordnung der Daten in zirkulärer und zeitlicher Ordnung, die die räumlichen Bewegungen widerspiegelt; e) präzise lineare Dekodierung der Handbewegungen aus den latenten Repräsentationen. © Gosztolai & Peach et al. et al. MARBLE: interpretable representations of neural population dynamics using geometric deep learning. Nat Methods (2025). https://doi.org/10.1038/s41592-024-02582-2

Simples Protokoll mit bahnbrechendem Effekt für Immuntherapien

Auf dem EBMT-EHA 7th European CAR-T-cell Meeting Mitte Februar in Straßburg wurde Sarah Staudt aus der Arbeitsgruppe von Juniorprofessor Dr. Maik Luu vom Lehrstuhl für Zelluläre Immuntherapie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) für ihre Studie zum Einfluss des Mikrobioms auf den Erfolg von Immuntherapien ausgezeichnet. Ihre Daten zeigen, wie das Postbiotikum Pentanoat den Stoffwechsel und die Funktion von Immunzellen beeinflusst. Pentanoat wird in den Zellstoffwechsel eingebaut und entfaltet dort eine spezifische Wirkung, die dazu führt, dass T-Zellen länger aktiv bleiben, was besonders für CAR-T-Zelltherapien bei Krebserkrankungen wichtig ist.

Maik Luu mit Urkunde auf der Bühne zwischen Anna Sureda und Maria Themeli
Umrahmt von den Organisatorinnen des EBMT-EHA 7th European CAR-T-cell Meetings in Straßburg Anna Sureda (links) und Maria Themeli (rechts) und stellvertretend für sein Team nimmt Maik Luu den Emerging Investigators EHA-EBMT Joint Fellowship Award entgegen. Foto mit freundlicher Genehmigung der EHA und EBMT
Maik Luu am Rednerpult, im Hintergrund auf großer Leinwand eine Folie seines Vortrags
Prof. Dr. Maik Luu vom Uniklinikum Würzburg präsentiert beim EBMT-EHA 7th European CAR-T-cell Meeting im französischen Straßburg die Forschung seiner Arbeitsgruppe zum Einfluss des Mikrobioms auf den Erfolg von Immuntherapien. © Carmen Sanges / UKW
Wie Stoffwechselprodukte von Darmbakterien in die CAR-T-Zelle eindringen und es dort zu einer epigenetischen Modulation kommt.
Das Postbiotikum Pentanoat wird in den Zellstoffwechsel eingebaut und entfaltet dort eine spezifische Wirkung, die dazu führt, dass T-Zellen länger aktiv bleiben, was besonders für CAR-T-Zelltherapien bei Krebserkrankungen wichtig ist. © Maik Luu / UKW

Würzburg. Im Februar 2022 erhielt Maik Luu als Erstautor einer Studie, die ihn damals von Marburg nach Würzburg führte, den Emerging Investigators EHA-EBMT Joint Fellowship Award in the Field of Cell Therapy and Immunotherapy. Der Preis ist eine gemeinsame Auszeichnung der European Hematology Association (EHA) und der European Society for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) für aufstrebende Nachwuchsforschende, die in der präklinischen oder klinischen Entwicklung von CAR-T-Zelltherapien oder anderen immun- und zellbasierten Therapien tätig sind. 

Drei Jahre später, am 8. Februar 2025, erhielt seine Doktorandin Sarah Staudt beim EBMT-EHA 7th European CAR T-cell Meeting im französischen Straßburg den gleichen mit 10.000 Euro dotierten Preis. Als Erstautorin leitete die Naturwissenschaftlerin am Lehrstuhl für Zelluläre Immuntherapie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) eine vielversprechende Studie, deren Ergebnisse ihr Arbeitsgruppenleiter, Juniorprofessor Dr. Maik Luu, als Seniorautor auf Europas größtem CAR-T-Zell-Treffen in Straßburg vorstellte. Sie fanden heraus, dass das Stoffwechselprodukt Pentanoat das Immunsystem stärken kann, indem das Postbiotikum den Zellstoffwechsel und die Genregulation beeinflusst - was neue Wege für effektivere Immuntherapien eröffnen könnte. 

„Es ist eine große Ehre für unser junges Labor, dass wir uns gegen so viele ebenso gute Kolleginnen und Kollegen durchsetzen konnten. Und es ist ein schönes Signal, dass die Community sieht, wie wichtig unsere Arbeit ist und wie viel man in Zukunft daraus machen kann“, sagt Maik Luu. Gleichzeitig bedankt er sich bei den zahlreichen Kooperationspartnerinnen und -partnern für die tolle Teamarbeit und vor allem bei Sarah Staudt, die alles mitbringt, was man sich als Nachwuchswissenschaftlerin wünscht: Intelligenz, Fleiß, Selbstständigkeit und Ausdauer. 

Postbiotikum korreliert mit Überleben nach CAR-T-Zelltherapie

Im Fokus der Arbeitsgruppe von Maik Luu steht das Darmmikrobiom und die Frage, welche Rolle die Mikroorganismen beziehungsweise konkret die Stoffwechselprodukte der Darmbakterien für den Erfolg von Immuntherapien mit Antikörpern oder speziellen Abwehrzellen spielen. Dazu analysierten sie gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Regensburg Stuhlproben von Patientinnen und Patienten vor der Gabe einer CAR-T-Zelltherapie und verglichen sie mit dem Therapieansprechen. „Tatsächlich korreliert Pentanoat, eine kurzkettige Fettsäure, mit dem Überleben der Patientinnen und Patienten. Mehr Pentanoat im Stuhl bedeutet also ein besseres Ansprechen auf die CAR-T-Zelltherapie“, erklärt Sarah Staudt. Im nächsten Schritt untersuchte das Team, wie sich das Stoffwechselprodukt Pentanoat nutzen lässt, um die CAR-T-Zellen gezielt zu verbessern. Im in vivo-System der Maus konnte bestätigt werden, dass eine Reprogrammierung der CAR-T-Zellen langfristig zu einer besseren Tumorkontrolle führt.

Stoffwechselprodukte des Darmbakteriums werden von Immunzellen verstoffwechselt, was sie aktiver und fitter macht

„Obwohl das Protokoll, also der Einbau des Pentanoats in den Energiestoffwechsel der T-Zelle, so einfach ist, war der Effekt bahnbrechend“, kommentiert Maik Luu. Und natürlich wollte das Team wissen, warum dieses so genannte Postbiotikum eine solche Wirkung auf das Immunsystem hat. Was macht das Pentanoat in der Zelle? „Diese kleinen Substanzen machen tausend Dinge in der Zelle. Es ist nicht ein Mechanismus, sondern es sind viele, die gleichzeitig wirken“, sagt Luu. 

Die wichtigsten Ergebnisse: Es findet eine epigenetische Modulation statt. Pentanoat verändert zelluläre Prozesse und genetische Kontrollmechanismen. Zum einen wird die T-Zelle zytotoxischer, kann also Krebszellen effektiver bekämpfen, zum anderen wird die Zelle metabolisch aktiver, also fitter. Das, so Luu, sei wohl der interessanteste Punkt der Untersuchungen. Denn sie konnten zeigen, dass Stoffwechselprodukte des Bakteriums von Immunzellen verstoffwechselt werden und auch dort in einen Stoffwechsel gelangen, der wiederum die Zelle neu programmiert. Sarah Staudt erklärt: „Um zu überprüfen, wo die Pentanoat-Atome im Zellstoffwechsel landen, haben wir sie mit schweren Isotopen markiert und massenspektrometrisch verfolgt. Dabei zeigte sich, dass Pentanoat in den Citratzyklus aufgenommen wird, also in den zentralen Stoffwechselweg in den Mitochondrien, der die Zelle mit Energie versorgt. Die Substanz verändert den Stoffwechsel nicht nur indirekt, sondern greift direkt in die biochemischen Abläufe ein. Das führte dazu, dass die T-Zellen weniger erschöpft waren und in einen aktiveren, jüngeren Zustand zurückkehrten“. 

Diese Verbindung zwischen Mikroben und menschlichen Immunzellen könnte den jungen Forschenden zufolge genutzt werden, um die Wirksamkeit von Immuntherapien zu verbessern. „Es gibt wohlgemerkt Trilliarden von Bakterien mit noch mehr Stoffwechselprodukten“, erinnert Maik Luu. Die Substanz Pentanoat, mache neben ihren Bruder- und Schwestermolekülen vielleicht nur einen Bruchteil der Postbiotika aus, aber die Studie zeige, dass die Menge nicht unbedingt den Unterschied macht und Pentanoat durchaus ein prädiktiver Biomarker sein kann, der sich kostengünstig und sicher für therapeutische Zwecke nutzen ließe.

Preprint des Papers „Metabolization of microbial postbiotic pentanoate drives anti-cancer CAR T cells“:
Sarah Staudt, Fabian Nikolka, Markus Perl, Julia Franz, Noémi Leblay, Xiaoli-Kat Yuan, M Larrayoz, Teresa Lozano, Linda Warmuth, Matthias A. Fante, Aistė Skorupskaitė, Teng Fei, Maria Bromberg, Patxi San Martin-Uriz, Juan Roberto Rodriguez-Madoz, Kai Ziegler-Martin, Nazdar Adil Gholam, Pascal Benz, Phuc-Huu Tran, Fabian Freitag, Zeno Riester, Christoph Stein-Thoeringer, Michael Schmitt, Karin Kleigrewe, Justus Weber, Kira Mangold, Patrick Ho, Hermann Einsele, Felipe Prosper, Wilfried Ellmeier, Dirk Busch, Alexander Visekruna, John Slingerland, Roni Shouval, Karsten Hiller, Juan José Lasarte, José Ángel Martinez-Climent, Patrick Pausch, Paola Neri, Marcel van den Brink, Hendrik Poeck, Michael Hudecek, Maik Luu. Metabolization of microbial postbiotic pentanoate drives anti-cancer CAR T cells. bioRxiv 2024.08.19.608538; doi: doi.org/10.1101/2024.08.19.608538

Zur CAR-T-Zelltherapie 
Bei der zellulären Immuntherapie wird den weißen Blutkörperchen unseres Immunsystems, den T-Zellen, auf die Sprünge geholfen. Dazu werden die T-Zellen gentechnologisch verändert und im Labor mit einem künstlichen auf die entsprechende Krebsart zugeschnittenen Rezeptor ausgestattet, dem Chimären Antigen Rezeptor, kurz CAR. Anschließend werden die „scharf gestellten“ T-Zellen als lebendes Medikament der Patientin oder dem Patienten zurückgegeben. Mithilfe des spezifischen Oberflächenmarkers können die CAR-T-Zellen die Tumorzellen im Körper aufspüren und zerstören.
 

Maik Luu mit Urkunde auf der Bühne zwischen Anna Sureda und Maria Themeli
Umrahmt von den Organisatorinnen des EBMT-EHA 7th European CAR-T-cell Meetings in Straßburg Anna Sureda (links) und Maria Themeli (rechts) und stellvertretend für sein Team nimmt Maik Luu den Emerging Investigators EHA-EBMT Joint Fellowship Award entgegen. Foto mit freundlicher Genehmigung der EHA und EBMT
Maik Luu am Rednerpult, im Hintergrund auf großer Leinwand eine Folie seines Vortrags
Prof. Dr. Maik Luu vom Uniklinikum Würzburg präsentiert beim EBMT-EHA 7th European CAR-T-cell Meeting im französischen Straßburg die Forschung seiner Arbeitsgruppe zum Einfluss des Mikrobioms auf den Erfolg von Immuntherapien. © Carmen Sanges / UKW
Wie Stoffwechselprodukte von Darmbakterien in die CAR-T-Zelle eindringen und es dort zu einer epigenetischen Modulation kommt.
Das Postbiotikum Pentanoat wird in den Zellstoffwechsel eingebaut und entfaltet dort eine spezifische Wirkung, die dazu führt, dass T-Zellen länger aktiv bleiben, was besonders für CAR-T-Zelltherapien bei Krebserkrankungen wichtig ist. © Maik Luu / UKW

Akademischer Chirurg mit Vorbildfunktion

Prof. Dr. Nicolas Schlegel erhält neu geschaffenen Lehrstuhl für Experimentelle Viszeralchirurgie am Uniklinikum Würzburg

Nicolas Schlegel steht im weißen Arztkittel mit verschränkten Armen in der Magistrale des Zentrums für Operative Medizin
Prof. Dr. Nicolas Schlegel ist Inhaber des neu geschaffenen Lehrstuhls für Experimentelle Viszeralchirurgie am Uniklinikum Würzburg © Ulrich Bender

Würzburg. Die Viszeralchirurgie begeisterte Prof. Dr. Nicolas Schlegel von Anfang an. „Die Vielfalt und Komplexität der Chirurgie zwischen Hals und Enddarm ist absolut faszinierend. Die größte Motivation war aber die Möglichkeit, den Patientinnen und Patienten mit einem einzigen Eingriff in kurzer Zeit zu helfen“, schwärmt Nicolas Schlegel. Seine Leidenschaft gilt aber nicht nur der Patientenversorgung. Auch die Forschung liegt dem 45-jährigen Oberarzt am Herzen: „Ich möchte als Kliniker die Forschung aktiv mitgestalten, also ein akademischer Chirurg sein!“ Professor Christoph-Thomas Germer, Direktor der Klinik für Chirurgie I, unterstützte diesen Wunsch von Anfang an. Und somit wurde im Jahr 2019 am Uniklinikum Würzburg (UKW) eine deutschlandweit einmalige W3-Professur für Experimentelle Viszeralchirurgie eingerichtet, die Schlegel als Clinician Scientist im Tenure-Track-Verfahren besetzte. Der Brückenbauer zwischen Chirurgie und translationaler Forschung hat sich bewährt. Die Universitätsmedizin Würzburg hat nun einen Lehrstuhl für Experimentelle Viszeralchirurgie eingerichtet, den Nicolas Schlegel seit Dezember 2024 leitet.

Zweitgrößtes Chirurgisches Studienzentrum in Deutschland

Eine der wichtigsten Einrichtungen im Rahmen seiner Tenure-Track-Professur war sicherlich die Gründung des Chirurgische Studienzentrums. „Damit haben wir eine Struktur geschaffen, die es uns ermöglicht, mit einem eigenen Studienteam systematisch Patientinnen und Patienten in große überregionale klinische Studien einzuschließen, aber auch eigene Studien durchzuführen“, sagt Nicolas Schlegel. „Vor fünf Jahren haben wir nur 22 Patientinnen und Patienten für chirurgische Studien rekrutiert, im vergangenen Jahr waren es bereits 360. Damit sind wir das nach Heidelberg das zweitgrößte chirurgische Studienzentrum in Deutschland.“ Das Rückgrat des Studienzentrums, das von Oberarzt PD Dr. Matthias Kelm geleitet wird, bilden zwei Study Nurses und drei Studienärztinnen, die sich eine Stelle teilen. Viele der Studien sind klassisch technisch orientiert, etwa ob man beim Verschluss der Bauchnaht ein Netz einlegen sollte, um einen Narbenbruch zu verhindern. „Traditionsgemäß wurden in der Chirurgie immer nur Erfahrungen weitergegeben, aber wenig systematisch überprüft, weil auch die Infrastruktur fehlte. Die haben wir jetzt“, so Schlegel, der für die übergeordnete Koordination des Studienzentrums zuständig ist.

Zwei Tage Forschung, drei Tage Klinik und allgegenwärtig Lehre

Wie sieht der Alltag eines Experimentellen Viszeralchirurgen aus? „Zwei Tage pro Woche widme ich mich der Forschung, drei Tage pro Woche stehe ich im OP, und die Lehre ist natürlich allgegenwärtig“, berichtet Schlegel. „Allerdings musste ich zugunsten der Forschung mein chirurgisches Spektrum einschränken und mich auf das konzentrieren, worin ich spezialisiert bin und was ich in höchster Qualität leisten kann: die endokrinologische Chirurgie. Das heißt, ich operiere vor allem Schilddrüsen und Nebenschilddrüsen.“ In der Grundlagenforschung ist Nicolas Schlegel mit insgesamt drei persönlichen Schwerpunkten breiter aufgestellt: chronisch entzündliche Darmerkrankungen, kolorektale Karzinome sowie Veränderungen nach bariatrischer Chirurgie. In der klinischen Forschung beschäftigt er sich mit der Endokrinen Chirurgie und Aspekten aus der perioperativen Medizin.

Stabilisierung der Darmbarriere als wichtiges Ziel

Im größten Projekt wird die Fehlregulation der Darmbarriere bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen untersucht. Dies geschieht unter anderem an Organoid-Modellen. „Wir sammeln hierfür bei Operationen anfallendes Restgewebe, das uns Patientinnen und Patienten spenden und züchten daraus Darmepithelstrukturen“, erklärt Nicolas Schlegel. „Viele Aspekte der Darmbarriere sind bereits verstanden, aber wir müssen noch Angriffspunkte validieren, damit schädliche Bakterien und Krankheitserreger nicht durch die Zellschicht des Darms ins Körperinnere eindringen und Entzündungen auslösen.“
Die Organoid-Technologie kommt auch in der Tumorforschung zum Einsatz. Nicolas Schlegel leitet den vom Bayerischen Zentrum für Krebsforschung (BZKF) geförderten Leuchtturm „Präklinische Modelle“, um Proof-of-Concept-Studien für alle Forschenden im BZKF-Netzwerk zu beschleunigen. Organoidmodelle reduzieren Tierversuche. Doch ganz ohne Tierversuche geht es nicht. So hält das UKW verschiedene chirurgische Tiermodelle vor, zum Beispiel für die Adipositaschirurgie. Hier wird seit Jahren erfolgreich ein Roux-en-Magen-Bypass zur Gewichtsreduktion eingesetzt. Die Prozesse, die nach der Veränderung der Magen-Darm-Passage ablaufen, wie Appetitregulation, metabolische Verbesserung des Stoffwechsels, Veränderung des Mikrobioms etc. sind jedoch noch nicht vollständig verstanden. „Wenn wir aber verstehen, was nach dem chirurgischen Eingriff passiert, können wir vielleicht auch molekulare Ziele entwickeln und diese in eine medikamentöse Therapie umsetzen, um die Patientinnen und Patienten auf die Operation vorzubereiten“, sagt Nicolas Schlegel.

Präkonditionierung sei das Stichwort, was Nicolas Schlegel zur Prähabilitation führt. Auch das gehört zur Viszeralchirurgie: den Körper optimal auf die Operation vorbereiten, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen, Schäden zu minimieren und die Genesung zu fördern. Hier zeigen die so genannten Fast-Track-Programme bereits Erfolge: Die Operierten sind schneller wieder fit, früher zu Hause, und es gibt weniger Komplikationen.

Den Patienten von der Zelle bis zur Naht verstehen

Als Brückenbauer müsse er von jedem Bereich mindestens so viel verstehen, dass er die Kolleginnen und Kollegen aus der Grundlagenforschung, der klinischen Forschung und der Chirurgie zusammenbringen, ihre Fragen verstehen oder formulieren helfen kann, um das Fach weiterzuentwickeln. Denn die Forschung des Lehrstuhls ist so vielfältig wie die Viszeralchirurgie selbst: Sie reicht von molekularen Zusammenhängen über technische Aspekte bis hin zu der Frage, wie der Körper auf den chirurgischen Eingriff reagiert und wie das Zugangstrauma minimalisiert werden kann. „Chirurgie bedeutet nicht einfach, zwei Enden zusammenzunähen und zu hoffen, dass es heilt“, sagt Schlegel, der die Forschungsprojekte supervidiert. „Wir müssen den Patienten von der Zelle bis zur Naht verstehen. Wir müssen verstehen, wie die Zelle und das Gewebe auf unsere Eingriffe reagiert. Erst dann können wir präventiv oder therapeutisch eingreifen.“

Diese Denkweise möchte er auch dem Nachwuchs vermitteln. Hier habe er eine Vorbildfunktion. „Die Chirurginnen und Chirurginnen von morgen sollen molekulare Grundlagen verstehen, Studien beurteilen können, und lernen, dass sich Forschung und Chirurgie durchaus miteinander verbinden lassen“, bemerkt Schlegel, der derzeit vier naturwissenschaftliche und zwölf medizinische Doktorandinnen und Doktoranden betreut. Generell habe das UKW eine ideale Größe, in der sich die grundlagenwissenschaftlichen und klinischen Fächer und Bereiche begegnen und zusammenarbeiten können. Damit das so bleibt und gegebenenfalls noch besser wird, engagiert sich Nicolas Schlegel in verschiedenen Gremien.

Werdegang von Nicolas Schlegel

Nicolas Schlegel wurde 1979 in Lörrach geboren, wuchs in Donaueschingen auf und kam im Sommersemester 2000 zum Medizinstudium nach Würzburg. Nach dem Physikum begann er seine Doktorarbeit in der Neuroanatomie und gab als Tutor Präparierkurse am Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universität Würzburg. Nach dem Staatsexamen im Jahr 2006 arbeitete Nicolas Schlegel zunächst als wissenschaftlicher Assistent in der Grundlagenforschung, unterrichtete Studierende in Anatomie und schuf so den Grundstein für seine heutige Tätigkeit. Im Jahr 2009 wurde er Assistenzarzt an der Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral-, Transplantations-, Gefäß- und Kinderchirurgie des UKW, wo er 2015 die Facharztprüfung ablegte. Ein Jahr später übernahm er die Leitung des Schwerpunktes Endokrine Chirurgie, 2018 wurde er zum außerplanmäßigen Professor ernannt, im Jahr darauf erhielt er den Ruf auf die W3-Professur für Experimentelle Viszeralchirurgie und im Dezember 2024 auf den gleichnamigen Lehrstuhl. Nicolas Schlegel ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt mit seiner Familie bei Kitzingen.

Details zum Lehrstuhl Experimentelle Viszeralchirurgie und zum Team finden Sie hier

Text: KL /Wissenschaftsredaktion

Nicolas Schlegel steht im weißen Arztkittel mit verschränkten Armen in der Magistrale des Zentrums für Operative Medizin
Prof. Dr. Nicolas Schlegel ist Inhaber des neu geschaffenen Lehrstuhls für Experimentelle Viszeralchirurgie am Uniklinikum Würzburg © Ulrich Bender

„Babygesänge“ ist Wissenschaftsbuch des Jahres

Prof. Dr. Kathleen Wermke erforscht seit Jahrzehnten das Weinen und die vorsprachlichen Lautäußerungen von Säuglingen und Kleinkindern auf fast allen Kontinenten. Ihre bahnbrechenden Erkenntnisse über Babylaute fasste sie in dem Buch „Babygesänge. Wie aus Weinen Sprache wird“ zusammen. Das im vergangenen Jahr im Molden Verlag erschienene Sachbuch wurde nun in Österreich zum besten Wissenschaftsbuch des Jahres in der Kategorie Medizin/Biologie gewählt.

Porträt von Kathleen Wermke am Tisch in ihrem Büro vor dem Bücherregal
Prof. Dr. Kathleen Wermke baute mit ihrem Team in der Poliklinik für Kieferorthopädie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) das weltweit erste Zentrum zur Diagnostik vorsprachlicher Entwicklungsstörungen bei Kindern mit einem erhöhten Risiko für den Spracherwerb auf. @ Kathrin Königl
Cover des Buches mit weinendem Säugling
Das Buch "Babygesänge. Wie aus Weinen Sprache wird" von Kathleen Wermke (224 Seiten Hardcover, 13,5 x 21,5 cm. EUR 26,00. ISBN 978-3-222-15122-4 Molden Verlag) wurde in Österreich zum Wissenschaftsbuch in der Kategorie Medizin / Biologie gewählt. @ Molden Verlag

Würzburg. In ihrem Sachbuch „Babygesänge. Wie aus Weinen Sprache wird“ führt Prof. Dr. Kathleen Wermke ihre Leserinnen und Leser auf über 200 Seiten unterhaltsam und fundiert mit zahlreichen Hörbeispielen in die geheimnisvolle Klangwelt der Babys ein. Brabbeln, Quieken, aber auch Schreien und Weinen sind für sie wie Magie. Und diese Magie scheint die Leiterin des Zentrums für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen am Uniklinikum Würzburg (UKW) auf die Leserschaft übertragen zu haben. Denn Kathleen Wermkes Buch wurde jetzt in Österreich zum besten Wissenschaftsbuch des Jahres in der Kategorie Medizin/Biologie gekürt. 

Ehre und Anerkennung

Die Wahl erfolgt in einem mehrstufigen Prozess. Eine Fachjury aus den Bereichen Wissenschaft, Forschung, Wissenschaftsjournalismus, Büchereien und Buchbranche wählt zunächst in vier Kategorien jeweils fünf Bücher aus, aus denen dann in einer Publikumswahl die Siegertitel ermittelt werden. „Ich danke allen, die für mein Buch gestimmt haben. Es ist eine große Ehre für mich und eine Anerkennung meiner langjährigen Arbeit“, freut sich Kathleen Wermke. Auch der österreichische Minister Martin Polaschek vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) freut sich über das große Publikumsinteresse an der Wahl und gratuliert den Autorinnen und Autoren der Siegerbücher: „Die Wahl zum besten Wissenschaftsbuch ist fixer Teil der Wissenschaftskommunikation des BMBWF und ich darf alle Forscherinnen und Forscher ermutigen, ihr Wissen auch weiterhin mit einer breiten Öffentlichkeit zu teilen.“

Babys in Frankreich und Japan weinen anders als in Deutschland

Kathleen Wermke erforscht seit Jahrzehnten das Weinen und die vorsprachlichen Lautäußerungen von Säuglingen und Kleinkindern auf fast allen Kontinenten. Obwohl alle Neugeborenen in der Lage sind, jede noch so komplexe Lautsprache der Welt zu erlernen, zeigen sich kulturelle Unterschiede bereits in den ersten Lauten, die Babys von sich geben. Französische Babys weinen mit Akzent, japanische und schwedische Neugeborene weinen deutlich komplexer als deutsche Säuglinge. In der Lamnso-Sprache der Nso, einem ländlichen Volk im Nordwesten Kameruns, gibt es sogar acht Tonhöhen plus spezifische Tonhöhenverläufe. Die Verhaltensbiologin und Medizinanthropologin schließt daraus, dass bereits im letzten Drittel der Schwangerschaft eine Prägung durch die Sprachmelodie der Mutter stattfindet. Kaum auf der Welt, imitieren die Kinder diese Melodiemuster. Wermke ist überzeugt, dass ein besseres Verständnis des Säuglingsgesangs dazu beitragen kann, die körperlichen und kognitiven Anstrengungen zu würdigen, die Babys leisten, um mit ihrer Umwelt akustisch in Kontakt zu treten und über die Stimme eine emotionale Bindung zu ihren Bezugspersonen aufzubauen. 

Wertschätzung des musikalischen Urgesangs aus dem sich die gesprochene Sprache entwickelt

Sie versteht ihr Buch keineswegs als Ratgeber zur Sprachförderung. Sie möchte lediglich Erwachsene, nicht nur Eltern, dazu anregen, Babys einfach mal zuzuhören, ihre stimmlichen Botschaften wertzuschätzen und zu akzeptieren, dass diese emotionale Sprache der Weg zur Sprache ist. „Das Weinen und die vorsprachlichen Lautäußerungen, mit denen Gefühle und Bedürfnisse ausgedrückt werden, sind ein musikalischer Urgesang, der dem Gesang mancher Tiere ähnelt. Aber erst aus dem Babygesang entwickelt sich die gesprochene Sprache“, berichtet Kathleen Wermke, die derzeit mit Unterstützung der Carl Friedrich von Siemens Stiftung an einem Fachbuch arbeitet. 

Kathleen Wermke forschte und lehrte viele Jahre am Institut für Anthropologie der Charité in Berlin bevor sie im Jahr 2003 an die Poliklinik für Kieferorthopädie des UKW wechselte, um dort in enger Kooperation mit der Kinderklinik, der Hals-Nasen-Ohren-Klinik und der Kinderneurochirurgie das interdisziplinäre Zentrum für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen aufzubauen. So entstand im Laufe der Jahre eine weltweit einzigartige Datenbank von Babylauten. Diese Daten ermöglichen es, die normale Sprachentwicklung sowie Einflussfaktoren wie Fehlbildungen, Hörstörungen oder Umweltbedingungen zu analysieren, Entwicklungsstörungen frühzeitig zu erkennen und gezielte Fördermaßnahmen zu entwickeln.

Alle Wissenschaftsbücher 2025 auf einen Blick: 

  • Naturwissenschaft / Technik: Paulina Rowińska: Mapmatics. Wie Karten unser Weltbild prägen (Aufbau)
  • Medizin / Biologie: Kathleen Wermke: Babygesänge. Wie aus Weinen Sprache wird (Molden)
  • Junior-Wissensbücher: Lotte Stegeman, Mark Janssen: Die Gefühle der Tiere. Von eifersüchtigen Affen, ängstlichen Hunden und pfiffigen Ratten (Rotfuchs), ab 8
  • Geistes- / Sozial- / Kulturwissenschaften: Gerhard Ammerer, Nicole Bauer, Carlos Watzka: Dämonen (Verlag Anton Pustet)
     

Text: KL / Wissenschaftskommunikation UKW 
 

Porträt von Kathleen Wermke am Tisch in ihrem Büro vor dem Bücherregal
Prof. Dr. Kathleen Wermke baute mit ihrem Team in der Poliklinik für Kieferorthopädie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) das weltweit erste Zentrum zur Diagnostik vorsprachlicher Entwicklungsstörungen bei Kindern mit einem erhöhten Risiko für den Spracherwerb auf. @ Kathrin Königl
Cover des Buches mit weinendem Säugling
Das Buch "Babygesänge. Wie aus Weinen Sprache wird" von Kathleen Wermke (224 Seiten Hardcover, 13,5 x 21,5 cm. EUR 26,00. ISBN 978-3-222-15122-4 Molden Verlag) wurde in Österreich zum Wissenschaftsbuch in der Kategorie Medizin / Biologie gewählt. @ Molden Verlag